Gemeinsames Lernen

1. Grundlegendes

1.a. Schulische Rahmenbedingungen

Nachstehend versuchen wir in Ergänzung zu dem allgemeinen schulischen GL-Konzept die praktische Umsetzung dezidiert zu beschreiben. Diese ist allerdings von Schuljahr zu Schuljahr flexibel zu betrachten, da die nachstehend aufgeführten Säulen abhängig sind von den situativen Bedingungen, vor allem vom sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf der Schülerinnen und Schüler aber auch von den personellen und räumlichen Ressourcen an der Schule und den außerschulischen Partnern.

Wissend um die Diskrepanz zwischen den Anforderungen eines Gymnasiums an seine Schülerschaft, die in ihrer Mehrheit im oberen Leistungsbereich in der Grundschulzeit positiv auffiel, und den Schülerinnen und Schüler mit einer kognitiven Beeinträchtigung, versuchen wir alle uns anvertraute Schülerinnen und Schüler ihren Fähigkeiten, Kompetenzen und Bedürfnissen entsprechend zu fördern.
Auch unter Berücksichtigung der sozialen Unterschiede, die sich aus den unterschiedlichen Herkunftsschulen und -familien ergeben, werden alle Schülerinnen und Schüler als gleichwertige Lernende und „Lernwillige“ betrachtet.

1.b. Zuständigkeiten

Zu Beginn des Schuljahres wird eine Übersicht erstellt, die die Zuständigkeiten des GL-Teams transparent machen soll. So ist für jede Lehrkraft erkennbar, wer von den Sonderpädagogiklehrkräfte verantwortlich ist für die Unterstützung bei Erstellung der Förderpläne, Elternarbeit, Beratung und Unterstützung bei geeignetem Lernmaterial, Zeugnisse, Hilfeplangespräche, Konferenzen etc. Ebenso geht aus dieser Liste die Zuständigkeit der pädagogischen Fachkräfte hervor, die in enger Kooperation mit den Sonderpädagogiklehrkräfte, Klassenleitungs- und Fachlehrerteams die individuelle Förderung der SchülerInnen im GL unterstützen.

1.c. Informationen zu den GL-Schülerinnen und Schüler

Vor Schulbeginn wird ein kurzes Statement zu dem jeweiligen Kind verfasst, das auf den Beobachtungen und Berichten der angebenden Schule und dem Aufnahmegespräch fußt. Idealerweise könnte eine Hospitation an der abgebenden Grundschule durch die Sonderpädagogiklehrkräfte stattfinden.

Zielführend könnten Förderkonferenzen und Förderplankonferenzen sein, die nach Vereinbarung stattfinden.

Vor den jährlichen Pflegschaftssitzungen könnten entsprechende Informationen an die Eltern der Kinder mit Förderbedarf gegeben werden.

2. Sonderpädagogische Förderung

Die schulische Förderung der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im GL stützt sich auf drei Säulen, die je nach Bedürfnis und personeller Gegebenheiten und den individuellen Bedürfnissen und Kompetenzen unterschiedlich zu gewichten sind.

2.a. Der gemeinsame Unterricht im festen Klassenverband

Die Schülerinnen und Schüler mit einem Förderbedarf, der eine zielgleiche Beschulung intendiert, werden ausschließlich im Klassenverband teilweise mit Unterstützung einer Integrationshilfe oder einer päd. Fachkraft unterrichtet.

Die zieldifferent zu beschulenden SchülerInnen sollen unter Berücksichtigung der nachstehend sonderpädagogisch relevanten Vorgaben im Klassenverband gefördert werden:

Hausaufgaben

  • Jedes Kind bekommt nach Möglichkeit immer Hausaufgaben
  • Diese Aufgaben werden immer in den EMA-Planer eingetragen
  • Die Erarbeitung der Aufgaben sollte wie bei den Regelschülerinnen und -schüler kontrolliert werden. Fehlende Aufgaben werden im Planer vermerkt und nach Möglichkeit und vorheriger Absprache mit den Eltern durch deren Unterschrift der Eltern nachgehalten.

Klassenarbeiten/ Tests

  • Jedes Kind schreibt eine Klassenarbeit, bzw. Lernüberprüfung, und auch die Kinder im GL schreiben nach Bedarf und ihren Kompetenzen entsprechend individuelle Tests in Themen- oder Unterrichtsbezug.
  • Leistungsüberprüfungen in einzelnen Fachbereich haben Priorität gegenüber dem über LW-Unterricht, sofern die GL-Schülerinnen und -schüler zu anderen Zeiten an diesem Fachunterricht teilnehmen.
  • Während der schriftlichen Leistungsüberprüfung sollten die SchülerInnen im Klassenraum, wann immer dies möglich ist, anwesend sein.
  • Ausgenommen wären das Fach Französisch und Fachbereiche, bei denen die Schülerinnen und Schüler nicht am Klassenunterricht teilnehmen.

Aufmerksamkeit/ Mitarbeit

  • Jedes Kind ist dazu angehalten, den Unterricht zu verfolgen
  • Namentliche Ansprache oder kurze und einfache Fragen holen die Kinder „ins Geschehen“
  • Arbeitsaufträge oder Erklärungen könnten von Regelschülerinnen und -schülern, wann immer dies möglich ist, in einfacher Sprache zusammengefasst werden („Damit ich sicher sein kann, dass es alle richtig verstehen, wiederhole bitte für mich…“)
  • Visualisierungen helfen zu verstehen.
  • Die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf sitzen immer verteilt in den Klassen
  • Alle Kinder haben zu Beginn der Stunde ihr Arbeitsmaterial vor sich auf dem Tisch.
  • Die Klassen- und Schulordnung gilt für jedes Kind (Material muss vorliegen, Aufgaben gemacht, Regeln eingehalten, …)
  • Wann immer dies möglich ist, könnten bei der Organisationsform, Partner- und Gruppenarbeiten realisiert werden, bei denen die zieldifferent beschulten Schülerinnen und Schüler auch kleine schriftliche und verbale Beiträge leisten (z. B. Präsentationen erstellen, kleine Anteile von Referaten übernehmen etc). Gruppenaufträge könnten z.B. beinhalten, dass jeder Gruppenteilnehmer, jede Gruppenteilnehmerin einen kleinen verbalen Beitrag leistet.

Bücher/ Material

  • Jedes Kind bekommt die aktuellen Schulbücher ausgeteilt; hierbei sollte unbedingt beachtet werden, dass das Lernmaterial, das sich an den Vorgaben des Gymnasiums orientiert, für die zieldifferent zu beschulenden SchülerInnen nicht bestellt wird, bzw. nur dann bestellt wird, wenn es den entsprechenden SchülerInnen auch möglich ist, mit diesem Material zu arbeiten. Stattdessen sollte nach Lern- und Leistungsstand individuelles Lernmaterial nach Absprache mit dem GL-Team bestellt werden.
  • In Klasse 5 + 6 sollten nach Möglichkeit auch die üblichen Arbeitshefte angeschafft werden (unter Berücksichtigung der o.a. Überlegungen).
  • Die zieldifferenten SchülerInnen sollten, wann immer möglich, (vor allem in den Klassen 5 und 6) mit dem in der Lerngruppe üblichen Lernmaterial arbeiten.
  • Außerdem sollten auch für Kinder im gemeinsamen Lernen mit zieldifferenter Förderung E-Books, Moodle, usw.: Zugänge ermöglicht werden.
  • Die Lehrkraft ist dafür verantwortlich, dass bei Einzel-, Still- oder Gruppenarbeit differenziertes Material vorliegt, falls nötig
  • Es sollte, wann immer möglich, ein Themenbezug bestehen. Hierfür sind in erster Linie die FachlehrerInnen verantwortlich, die die Themen mit der aus dem GL-Team verantwortlichen Lehrkraft kommunizieren.
  • Es ist notwendig, dass die Sonderpädagogiklehrkräfte und auch die päd. Fachkräfte Zugang zu moodle für die einzelnen Lernbereiche haben und dass gezielt die gewünschte Unterstützung nachgefragt wird (vorab per Mail mit nach Möglichkeit zwei Tagen Vorlauf.)

2.a.1. Aufgaben der pädagogischen Fachkräfte

Die Aufgabe der Pädagogischen Fachkräfte besteht darin, das Gelingen der Inklusion im Klassenverband zu unterstützen.

Die Pädagogische Fachkraft ist unterstützend im gesamten Klassenverband tätig. Sie ist von allen Schülern ansprechbar, kennt die Unterrichtsinhalte.

Es besteht ein ständiger Kontakt und Austausch zur Lehrkraft (Präsenz).

Bei Möglichkeiten von inklusivem Arbeiten unterstützt sie (immer in Absprache mit der Lehrkraft) die SchülerInnen.

In Still-, oder Einzelarbeitsphasen liegt die Aufmerksamkeit vermehrt auf den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Pädagogische Fachkräfte sollten im Unterricht ein Selbstverständnis im Umgang mit jedem Schüler vermitteln unabhängig von einem bestehenden Förderbedarf. Möglichkeiten zum unterstützten Unterricht wären zum Beispiel:

  • Sinnvolle Gruppeneinteilungen bei Gruppenarbeiten (und deren Begleitung)
  • Unterstützung beim Überprüfen der Hausaufgaben/ ggf. Korrektur
  • Überlegungen zur Sitzordnung
  • Visualisieren im Hintergrund (Tafel)

2.a.2. Aufgabe der Sonderpädagogiklehrkräfte für den Unterricht im Klassenverband

Die Sonderpädagogiklehrkräfte stellen nach Absprache über die Unterrichtsinhalte Lern- und Arbeitsmaterial für die Schülerinnen und Schüler mit zieldifferenter Förderung zu Verfügung, das von den Lehrkräften der Klasse entsprechend modifiziert bzw. überarbeitet wird. In der Lernwerkstatt steht sowohl ausleihbares und zu kopierendes Material zu Verfügung als auch digital zu nutzendes bzw. zu kopierendes Arbeitsmaterial.

Die sonderpädagogischen Lehrkräfte sind gerne bereit, bei der Bereitstellung und Modifizierung des individuellen Lernangebotes zu helfen und zu unterstützen.

In den Stunden, die mit sonderpädagogischen Lehrkräften doppelt besetzt sind, wird angestrebt, dass phasenweise ein Teamteaching in entsprechenden Unterrichtseinheiten, z.B. projektbezogener Unterricht, dialogischer Unterricht, Problem posing etc, praktiziert wird. Das ermöglicht es den GL-SchülernInnen sich als Teil der Lerngruppe zu fühlen und zum Unterrichtserfolg beizutragen.

In Phasen, in denen diese Unterrichtsformen nicht realisierbar sind, unterstützen die sonderpädagogischen Lehrkräfte ähnlich wie die päd. Fachkräfte alle SchülerInnen, beobachten und reflektieren nach Möglichkeit den Unterricht in Bezug auf die Chancen für die GL-Schülerinnen und -schüler.

2.b. Der differenzierte Unterricht in der Lernwerkstatt

Wo immer eine sinnvolle Teilnahme der GL-Schülerinnen und -schüler im Klassenverband möglich ist, sollte diese Teilnahme ermöglicht und reflektiert werden.

Der Unterricht in der Lernwerkstatt findet nach Möglichkeit stufenbezogen statt. Priorität bei der Stundenplangestaltung der LW haben folgende Überlegungen:

  • Förderung im Fach Deutsch und Mathematik
  • Verbleib im Klassenverband im Jahrgang 5 in allen Fächern
  • ab Klasse 6 Unterricht in der LW während des Klassenunterrichts in den Fremdsprachen
  • Verbleib im Klassenverband in den Fächern: MINT, Sport, Kunst, Lions Quest
  • LW stellt Lernmaterial für den Unterricht im Klassenverband zu Verfügung: Geschichte, Politik, Erdkunde, NW, an dem die Schülerinnen und -schüler möglichst selbständig arbeiten
  • Die Anwesenheit der Lernwerkstatt-SchülerInnen wird vor der ersten Stunde im Klassenbuch der Klasse dokumentiert. Erst danach kommen die SchülerInnen in die Lernwerkstatt.

2.c. Förderung in Kleinstgruppen (z.B. Englisch)

Diese Möglichkeit der Förderung kann für kleine Schülergruppen in Betracht kommen, die eine besondere individuelle Förderung in einem Fachbereich benötigen, weil die Leistungsanforderung in einer größeren Gruppe zu hoch oder zu gering ist.

3. Diagnostik und Beratung

Es wäre noch zu erwähnen, dass zur optimalen Förderung, vor allem der zieldifferent zu beschulenden Schülerinnen und Schüler mit dem Schwerpunkt Lernen in der Erprobungsstufe noch einmal eine Differentialdiagnostik mit einem geeigneten Intelligenztest erfolgen soll, um die Beobachtungen und Diagnosen der abgebenden Grundschule abzusichern, zu modifizieren und/oder noch einmal aus einem anderen Fokus zu betrachten. Diese Ergebnisse sollen in die Erprobungsstufen- und Förderkonferenzen einfließen und zur Grundlage der weiteren Eltern-, Lehrer- und Schülerberatung dienen.
In dem ersten Schuljahr EMA, das heißt der Klasse 5, sollen die Schülerinnen und Schüler mit dem Unterstützungsbedarf Lernen den überwiegenden Stundenanteil am Klassenunterricht teilnehmen, mit stundenweiser und fest zugeordneter pädagogischer Fachkraft, die im ständigen fachlichen Austausch mit den sonderpädagogischen Lehrkräften steht und als fester und gleichberechtigter Ansprechpartner für die Kinder, die Eltern und Kollegen fungiert. Sonderpädagogisch relevante Entscheidungen, z.B. Gutachten, Förderbedarfe, Integrationshilfe, Leistungsbewertung, Unterstützung von außerschulischen Institutionen und die Berufsorientierung betreffende Entscheidungen werden in enger Abstimmung mit den Sonderpädagogiklehrkräften besprochen (danach SL, Eltern etc).

4. Austausch

Ein regelmäßiger Austausch zwischen Regelschullehreinnen und -lehrern und dem GL-Team gehört zu den Gelingensbedingungen des Gemeinsamen Lernens. Um die Belastung des Kollegiums nicht zu erhöhen, könnte folgendes Setting verabredet werden:

Einmal im Monat treffen sich das GL-Team und die Klassenleitungen (im Wechsel) um im Zeitraum von ca 60 Minuten über alle Kinder, die in ihren Lerngruppen zieldifferent und/oder zielgleich beschult werden, ausführlich zu beraten im Hinblick auf Arbeitsaufträge, Arbeitsmaterial, Förderpläne, notwendige außerschulische Gespräche, Organisation im Unterricht etc.

Zunächst könnte ein solches Setting als Pilotphase für die Klassen 5 und 6 erprobt und dann evaluiert werden, um es für die weitere Abstimmung im Hinblick auf den notwendigen Austausch gewinnbringend zu nutzen.

August 2022